„Wie, das alles soll weg, bis hierhin?“

Vogelführung durch den Nachtigallenwald mit Andreas Zours.

Wer die Gegebenheiten vor Ort kennen gelernt hat, kann tatsächlich kaum begreifen, wie die Vernichtung eines solchen ökologischen Schatzes politisch gewollt sein kann.

Den Zilpzalp werden die TeilnehmerInnen der Waldretter-Vogelführung künftig sicher im allgemeinen Gezwitscher erkennen können – und vielleicht hören sie auch den Zaunkönig heraus. Letzterer nistet gerne im Wurzelwerk umgestürzter Bäume, wie sie nach den letzten Stürmen zahlreich in den Wäldern am Ernst-August-Kanal zu finden sind.

Dank der einzigartigen Art, wie Vogelkundler Andreas Zours die Vogelstimmen nachahmt und das Gehörte mit Anekdoten aus dem vielfältigen Verhaltensrepertoire der Vögel verbindet, vergingen zwei Stunden wie im Fluge. Während unsere kleine Gruppe sonntäglicher Frühaufsteher am Sonnteg (21. April) den Waldrand entlang schlenderte, flog ein Graureiherpaar über den Ernst-August-Kanal, und wir konnten einen actionreichen Kampf zwischen rivalisierenden Bläßrallen beobachten.

Die Nachtigall ist in diesem späten Frühling zwar noch nicht in den „Nachtigallenwald“ zurück gekehrt, nicht zu überhören war aber der Reviergesang der Singdrossel, mal unterbrochen vom Gezeter aufgeregter Blau- und Kohlmeisen, mal vom Flöten der Mönchsgrasmücken und Rotkehlchen. Wie zum Abschiedsgruß zeigte sich am Ende sogar noch ein Gimpel (Dompfaff) in knallrotem Sonntags- bzw. Hochzeitsstaat, der unter den gestrengen Augen seiner Gattin eifrig Nistmaterial in den Pappeln am Kanal sammelte.

Beim intensiven in den Wald hinein Lauschen öffnete der Spaziergang die Augen dafür, was auf den ersten Blick vielleicht nicht so ersichtlich ist: Welch ein vielfältig bewohntes Stückchen Natur hier über Jahrzehnte mitten in der Stadt gewachsen ist. Entsprechend stand einigen Teilnehmern das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, als wir vom Deichübergang kommend die Schlenzigstraße erreicht hatten und damit einmal das gesamte Planungsgebiet Spreehafenviertel abgelaufen hatten: „Wie, das alles soll weg, bis hierhin?“, fragte eine Teilnehmerin ungläubig. Wer nicht nur auf einen Stadtplan geschaut, sondern die Gegebenheiten vor Ort kennen gelernt hat, kann tatsächlich kaum begreifen, wie die Vernichtung eines solchen ökologischen Schatzes politisch gewollt sein kann.

 

Impressionen vom sonntäglichen Vogelspaziergang. Fotos: Alexandra Werdes

 

 

Unteres Bild: Der Wald am Ernst-August-Kanal auf der Ostseite der Georg-Wilhelm-Straße. Einigen Teilnehmern stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben, als die Gruppe vom Deichübergang kommend die Schlenzigstraße erreicht hatte und damit einmal das gesamte Planungsgebiet Spreehafenviertel abgelaufen hatten: „Wie, das alles soll weg, bis hierhin?“, fragten sie ungläubig.

 

Bild unten: Umgestürzter Baum mit Wurzelteller, werdendes Totholz: Das bietet Nahrung und Nistmöglichkeiten für zahlreiche Vogelarten. Befindet sich so eine geoßer Wurzelteller auch noch in direkter Ufernähe, kann es sogar sein, dass der Eisvogel seine Bruthöhlen hineinbohrt.